Ihr nicht gerade bombastischer Ruf eilt der finnischen Küche immer noch voraus. Völlig zu Unrecht! Lange Zeit galt das Essen im Land der tausend Seen als nicht besonders innovativ, was vermutlich nicht zuletzt an Produkten wie Bärenfleisch aus der Dose liegt, das man auch hier bei uns kaufen kann. Im Zuge der neuen nordischen Küche hat sich aber auch im modernen Helsinki einiges getan. Spitzenköche aus ganz Europa lassen sich in der Hafenstadt nieder, um mit den hervorragenden lokalen Produkten aus Wald und Wasser eine exzellente, junge, frische und feine Küche zu kreieren. Aromatische Pfifferlinge, saftige Blaubeeren, Steinpilze und ständig frische Fische wie Maränen, Zander und Hechte beglücken Gourmets mit purem, unverfälschtem Geschmack.
Wir waren für euch vor Ort und haben auf dem täglichen Markt am Hafen Kauppatori beeindruckend frische Produkte probiert – wie fangfrische Krabben direkt vom Kutter – , köstliches nordisches Streetfood getestet und in der direkt am Hafen liegenden Markthalle lokale Produkte vom Feinsten gekostet, die uns noch heute entzücken. Neben dem grandiosen Geschmack punktet Helsinkis Küche auch mit einer stilvollen, puristischen Präsentation. Die Finnen zeigen einen Sinn für Modernität ohne abgehobenen Prestigecharakter – meistens zumindest. Helsinki überzeugt uns als leidenschaftliche Genussentdecker auf ganzer Linie. Deshalb kommen hier ein paar klassische finnische Spezialitäten und kulinarische Tipps für euren nächsten Finnland-Trip. Wer gerade nicht die Koffer packen kann, kocht sich einfach ein Stückchen Finnland nach Hause.
Kein Frühstück ohne Karjalanpiirakka
Die karelischen Piroggen – vielleicht für uns etwas leichter zu merken – schmecken zu jeder Tageszeit, sind hübsch handlich und zergehen förmlich im Mund. Traditionell besteht die feine Teighülle aus Roggenmehl mit je nach Region einer weichen Füllung aus Milchreis, einer Kartoffel- oder Karotten-Farce. Seinen Ursprung hat das leckere Gebäck in Karelien, ist aber auch in Helsinki allgegenwertig. Ihr findet die Piroggen in Lappland, an der Schärenküste und natürlich in Ostfinnland, könnt sie in Supermärkten, beim Bäcker oder auf dem Mark kaufen und bekommt sie in Cafés und Restaurants serviert. Bei uns gab es Karjalanpiirakka jeden Morgen zum Frühstück. Wir haben übrigens in einem ehemaligen Gefängnis aus dem Jahre 1837 genächtigt, das zu einem sehr komfortablen Hotel umgebaut wurde. Es liegt wunderschön auf der Insel Katajanokka (nach der auch das Hotel benannt ist) am Hafen und im Zentrum von Helsinki.
So mancher Hobbybäcker mit Finn-weh ist an der Herstellung der finnischen Piroggen schon verzweifelt, denn es braucht ein wenig Übung, das Gebäck so zu „falten“ und zu füllen und den Teig so hinzubekommen, das er nicht zu hart oder zu klebrig wird. Aber Übung macht den Meister und außerdem haben wir ein Rezept für euch aus Helsinki mitgebracht, das wirklich gelingsicher ist. Et voilá – unser Rezept mit Milchreis-Füllung:
Zubereitung (20 Stück):
Zutaten: 200 ml Wasser, 2 TL Salz, 200 g Roggenmehl, 100 g Weizenmehl, 180 g Milchreis ( alternativ Risotto-Reis), ca. 1 Liter Milch, Salz, 1 Ei, 2 EL Butter, etwas Milch, 1 EL Butter, 150 g Butter, 3 hartgekochte Eier
- Für die Füllung: Reis in Milch mit einer Prise Salz und Butter zu Milchreis kochen. Immer gut umrühren, damit der Reis nicht Topf anbrennt.
- Für den Teig: Mehl mit Wasser und Salz zu einen festen Teig kneten. Teig mit einem Nudelholz ausrollen und zum Beispiel mit einem Glas Kreise ausstechen. Die Kreise dann mit dem Nudelholz in eine ovale Form rollen. Je ca. 1 EL Milchreis auf die Ovale verteilen, ein kleines Stück Rand frei lassen.
- Piroggen am Rand falten. Faltet dafür ca. 1 cm des Teiges nach innen, so dass ein wellenförmiger Rand entsteht und der Milchreis beim Backen nicht auslaufen kann.
- Die fertig geformten Piroggen bei 250 °C im vorgeheiztem Backofen ca. 15 Minuten goldbraun backen.
- Zum Schluss etwas Milch erwärmen und ein Stück Butter darin schmelzen. Damit die Karjalanpiirakka ihre typische Geschmeidigkeit erhalten, taucht ihr sie nach dem Backen in die warme Butter-Milch. Auf einem Backpapier kurz abtropfen und ein wenig abkühlen lassen. Aber am besten noch lauwarm genießen. Und wer will, serviert dazu die klassische Ei-Butter.
- Für die Ei-Butter verwendet ihr drei hart gekochte Eier, schält sie und hackt sie sehr fein klein. Eier mit der restlichen weichen Butter mischen und mit einem Mixer glatt rühren. Fertig!
So gut, so naheliegend – Kalakeitto oder Finnische Fischsuppe
Wer eine natürliche Küche mit kreativen Interpretationen mag, der ist in Helsinki richtig. Der globale Trend ökologisch und biologisch erzeugte und damit logischerweise auch regionale Lebensmittel zu verwenden und die gleichzeitige stetige Suche nach neuen Impulsen haben auch in Finnland die Esskultur verändert. Im modernen Finnland stehen frische und saisonale Produkte ganz oben auf dem Speiseplan. Nur Eintöpfe und Eierkuchen? Das war einmal! Traditionelle Rezepte werden bewahrt, aber gerne originell umgesetzt. Das Land ist jung und russische oder schwedische Einflüsse sind spürbar. Aber zurzeit prägen internationale Küchenchefs hier die neue Gastronomie, ohne die skandinavische Basis zu verlassen. Das Schöne ist, dass sich die hier sehr prägnanten vier Jahreszeiten deutlich in der finnischen Küche wiederfinden.
In eiskalten Wintern genießen die Menschen gerne geschmorte Wurzelgemüse und kräftige Ragouts. Im Frühling vertreiben dampfende Suppen die Kälte. Im Sommer kommen in Helsinki köstliche neue Kartoffeln auf den Teller. Selbst in knackigen Salaten mit frischen Kräutern, knusprigen Kernen und frischem Lachs kommen die halbierten jungen Kartoffeln hervorragend zur Geltung. Im Hoch- und Spätsommer stehen Beeren und Pilze – ganz besonders die knallgelben Pfifferlinge – hoch im Kurs. Aromatisches Wild und Fisch aus Seen oder Meer bereichern die finnische Küche das ganze Jahr. Wir haben uns die typische finnische Fischsuppe auch jetzt in den eher warmen Monaten schmecken lassen. Direkt an der wunderschönen Hafenpromenade Helsinkis, mit Blick auf schicke Jachten, Segelboote und das offene Meer, das in der Abendsonne glitzerte, bei einer leichten Brise und einem guten Glas Wein hätte es für diesen schönen Augenblick keine bessere kulinarische Begleitung geben können. Wenn ihr die Suppe auch mal probieren wollt, nur zu:
Zubereitung (4 Portionen):
Zutaten: 2 Zwiebeln, 50 g Butter, 4 junge Kartoffeln, 2 Karotten, 700 ml Fischfond, 500 ml Milch, 100 ml Sahne, 500 g Fischfilet (z. B. Lachs, wer mag kann auch Miesmuscheln dazugeben), 1 Prise Salz, 1 Prise Pfeffer, Dill
- Zwiebeln fein hacken und in Butter glasig dünsten. Kartoffeln und Karotten schälen würfeln.
- Fischfond in einem anderen Topf erhitzen. Fischfilets in Stücke schneiden. Fischfond, Salz und Kartoffeln zu den glasig gedünsteten Zwiebeln geben. Nach ca. 15 Minuten Karotten dazugeben. Sobald die Kartoffeln weich sind, Fischstücke in die Suppe legen. Milch und Sahne separat aufkochen lassen und ebenfalls in die Suppe geben. Fischstücke in der Suppe bei niedriger Temperatur ca. 10 Minuten gar ziehen lassen.
- Dill fein hacken und dazugeben. Fischsuppe zum Schluss mit Salz und frisch gemahlenem Pfeffer würzen.
Heißer Tipp: Imbissbude – Grilli
Auch wenn wir uns im Land des Superfoods befinden, denn in Finnland macht Wald über die Hälfte der gesamten Landesfläche aus: Heidelbeeren, Preiselbeeren und nicht zu vergessen die gelbe Moltebeere, wachsen hier wie verrückt in den Sümpfen und versorgen uns mit Vitalstoffen und Geschmack! Und daneben auch die so viel gelobte experimentelle Küche in Helsinki Einzug hält: Echte Finnen holen sich gerne auch mal schnell einen Snack auf die Hand! Dafür gibt es in der schnuckeligen Hafenmetropole buchstäblich an fast jeder Ecke Imbissstände mit dem entzückenden Namen: Grilli.
Auch wir haben uns während unseres Helsinki-Trips einmal finnisches Fast-Food gegönnt und dabei eine sehr positive Überraschung erlebt: die handgemachten, dick geschnittenen Pommes, teilweise noch mit Schale bestückt und doppelt frittiert, schmecken wirklich köstlich. So richtig schön nach Kartoffeln (was man leider nicht überall von Fritten behaupten kann), dabei absolut knusprig und sind mit grobem Meersalz bestreut – lecker! Dazu eine Wurst vom Grill mit scharfer Sauce. Ein super Street-Food und eine nettes Pendant zu den so frischen und feinen Speisen, die uns sonst dort kredenzt worden sind. Aber bringt Geduld mit, vor den beliebtesten Grillis in belebter Lage heißt es zu Hochzeiten gerne mal: Schlange stehen!
Schippert von Helsinki nach Tallinn!
Wenn schon, denn schon! In gerade mal zwei Stunden schippert ihr über den finnischen Meeresbusen mit der Fähre von Helsinki nach Tallinn. Diese Gelegenheit haben auch wir genutzt und neben finnischer Luft auch ein bisschen Estnische geschnuppert. Ich kann euch dieses Städte-Hopping nur wärmstens empfehlen. Gleich mehrere Schifffahrtslinien legen mehrmals am Tag ab und bringen euch mit Service an Bord und schöner Aussicht ins Nachbarland. Tallinns bunte und so unglaublich gut erhaltene Altstadt entzückt bei einem gemütlichen Rundgang. Die Stadt ist sehr kompakt und kann perfekt zu Fuß oder mit der Straßenbahn erkundet werden. Wer sich in der Hauptstadt Estlands ein bisschen von den Touristenpfaden entfernt, findet urbanes und ziemlich lässiges Großstadttreiben. Hochmodernes Großstadt-Flair, Luxus, viel Grün, viel Kultur und ein quirliges Nachtleben machen die im Mittelalter gegründete Hansestadt zu einem attraktiven Ziel für Stadturlauber. Großes Plus: die ansprechende Küste Tallinns bietet Promenaden, Sandstrände und einen traumhaften Ausblick auf die zum Verlieben schöne Silhouette der Stadt.
Da wir als Genussentdecker in der Hauptsache kulinarisch unterwegs sind, kommen wir jetzt zum Essen! Auch in Tallinn überzeugt uns die erfrischende und junge Küche mit hochwertigen Produkten. Das beste Beispiel: eine köstliche Borschtsch. Von der Rote Bete-lastigen Suppe hat vermutlich jeder schon mal gehört. Ich habe aber selten eine so gelungene und hübsche Variante des ukrainischen Eintopfs gegessen. Allein die Präsentation auf der Terrasse eines coolen Cafés in ausrangierten Eisenbahnwagons war eine Wucht. Die Suppeneinlage war in der Mitte des Tellers drapiert – Rote Beete, Schmand, Spinat, kein Fleisch – und die heiße Suppe wurde direkt am Tisch aufgefüllt. Das hatte was! Und trotz gefühlten dreißig Grad in der Mittagssonne schmeckte das heiße Süppchen wirklich leicht und köstlich.
Zubereitung vegetarische Borschtsch (Zutaten 4 Portionen):
Zutaten: 500 g Rote Bete, 1 Zwiebel, 2 EL Öl, 1-2 EL, Gemüsebrühe, Salz, Pfeffer, 1 Prise Zucker, 2-3 EL Balsamico-Essig, 1 Handvoll Spinat, 200 g Crème fraîche
- Rote Bete in Stifte oder Würfel schneiden. Zwiebel schälen und würfeln.
- Öl im großen Topf erhitzen. Zwiebel und Rote Bete darin andünsten. Mit 1 1/2 l Wasser ablöschen, aufkochen. Brühe einrühren. Alles zugedeckt 15 Minuten köcheln.
- Borschtsch mit Salz, Pfeffer, Zucker und Essig abschmecken. Spinat waschen und nach Belieben fein schneiden oder die Blätter ganz lassen. Borschtsch mit je einem Klecks Crème fraîche und Spinat anrichten.
Große Liebe: die Finnen und das Brot mit dem Loch
Egal wo auf dieser Welt ein Finne sich befindet: das runde Roggenbrot mit dem Loch in der Mitte wird mit der Post nachgeschickt. Koste es, was es wolle! In Finnland gibt es sehr viele verschiedene Brotsorten, die alle hervorragend schmecken! Auch das hat mich positiv überrascht. Diese Liebe zu ihren Produkten, die so spürbar ist. Die Finnen sind so stolz auf ihre Brotsorten und reichen in Cafés und Restaurants ihre hauseigene Spezialität mit cremiger Butter zum Essen. Das beliebteste und wirklich überall erhältliche Brot ist: Reikäleipa, eben das mit dem Loch. Das stammt noch aus Zeiten, in denen man die Brote unter dem Dach an Stangen aufbewahrte. Das Sauerteigbrot ist ziemlich schwer und kompakt, aber die Finnen lieben es über alles. Näkkileipä ist die leichte Kräcker-Variante vom Roggenbrot. Auch das gibt es in vielen verschiedenen Sorten. Dazu gehört auch das weltberühmte Finn Crisp. Die Brote werden zum Frühstück – mit Butter, Käse, Fruchtaufstrichen, Fisch oder Wurst gegessen, zum Mittagessen zur Suppe gereicht oder als Snack am Abend genossen. Also – eigentlich jederzeit!
Heimatküche: Quietschkäse mit Moltebeeren
Brot-, Knister- oder Quietschkäse wird eine der leckersten Spezialitäten aus dem hohen Norden genannt: im Original Leipäjuusto. Es ist ein relativ milder Käse, der klassisch aus Kuhmilch hergestellt wird. Manchmal ist er aber mittlerweile auch aus Ziegen- oder Rentiermilch gemacht. Die Milch wird zuerst gesäuert, anschließend gebraten, und in einer Pastetenform gebacken. Die Finnen servieren dazu eine weitere Spezialität aus ihren Wäldern – nämlich die knallgelben Moltebeeren zu einer süß-herben Marmelade verarbeitet. Die Kombination ist unschlagbar lecker. Das Gericht könnt ihr in Finnland fast überall bestellen, am besten schmeckt die einheimische Delikatesse aber bei jemandem Zuhause!
Zubereitung (Zutaten für 4 Personen):
Zutaten: 300 g Leipäjuusto, 100 ml süße Sahne, 500 g Moltebeeren, 250 g Gelierzucker
- Moltebeeren mit Zucker aufkochen. Ca. 10 Minuten köcheln lassen. Gelegentlich umrühren. Ca. 30 Minuten abkühlen lassen. Leipäjuusto in kleine Stücke schneiden und in eine Auflaufform schichten.
- Sahne darübergießen und bei 200° C ca. 10 Minuten backen. Der Brotkäse ist fertig, wenn die Sahne oben leicht bräunlich geworden ist. Noch heiß mit Moltebeeren servieren.