Ein Interview mit dem Weinexperten Wolfgang Baumeister
Orange Wine ist einer der neuesten Trends auf dem Weinmarkt und immer mehr Weinläden verkaufen diesen sehr speziellen Rebsaft. Dabei ist Orange Wine nicht unumstritten unter Sommeliers und Weintrinkern. Orange Wine polarisiert. Was aber verbirgt sich hinter Orange Wine eigentlich? Wir haben nachgefragt!
Hier das ganze Interview als Video
Hat Orange Wine etwas mir Orangen zu tun?
Miomente: Lieber Wolfgang, wir sind gespannt: Was ist eigentlich Orange Wine?
Wolfgang Baumeister: Orange Wine heißt dieser Wein wegen seiner Farbe. Dabei handelt es sich um Weine aus weißen Trauben, die aber beim Keltern behandelt werden wie rote Trauben. Sprich: Sie werden maischevergoren.
Miomente: Und was ist Maische?
Wolfgang Baumeister: Maische – das ist die Mischung aus Schalen, Kernen und gepresstem Traubensaft. Bei Weißweinen ist es sonst üblich, dass die Trauben sofort gekeltert, also gepresst werden – so dass nur der Saft übrigbleibt und der wird dann vergoren. Bei Rotweinen werden die Trauben gemaischt – sprich: sie werden zusammen mit den Schalen, Kernen und dem Saft vergoren. Das macht man bei Orange Wine mit weißen Trauben genauso. Dadurch entsteht die typische Farbe.
Miomente: Also hat Orange Wine gar nichts mit Orangen zu tun?
Wolfgang Baumeister (lacht): Nee!
Miomente: Können wir uns die Farbe mal anschauen?
Wolfgang Baumeister: Ja, gerne. Hier haben wir einen klassischen Vertreter: Einen Pinot Grigio von Ronco Severo aus dem Friaul. Dort ist es schon lange üblich und Tradition, dass man Pinot Grigios auf der Maische lässt. Dann erhalten die so einen typischen Bronze- oder Kupferton. Dieser hier wurde 4 Wochen auf der Maische gelassen. Dadurch erhält er eher so einen bernsteinfarbenen Ton.
Man macht Orange Wine ja nicht, weil er nett ausschaut!
Miomente: Viele Kritiker behaupten, dass der typische Sortencharakter bei der Herstellung verloren geht. Stimmt das?
Wolfgang Baumeister: Das wäre ja so, als wenn man sagen würde, dass bei Rotwein der typische Charakter z.B. des Cabernet verloren geht. Warum sollte das bei Maischegärung bei weißen Trauben anders sein? Dieser Wein hier z.B. ist ein ganz klar sortenreiner Pinot Grigio und man schmeckt auch hier die Typizität der Traube deutlich heraus. Da setzen die Kritiker Orange Wine vielleicht mit Naturwein gleich – da kann das passieren, dass sich Weinfehler einschleichen.
Bei handwerklich gut gemachten Weinen sollte das aber schon selbstverständlich sein, dass der Wein auch nach der Rebsorte schmeckt. Man macht ja nicht Orange Wine, weil er nett ausschaut, sondern weil man die Typizität der Traube in ihrer Charakteristik im Glas haben will.
Miomente: Und wie schmeckt Orange Wine?
Wolfgang Baumeister: Prinzipiell charakteristisch eher wie Rotwein. Das sind komplexere Weine, die haben mehr Tannine, mehr Gerbstoffe, insgesamt vom Mundgefühl gehen die eher Richtung Rotwein. Das sind durchaus Weine aus weißen Trauben, die auch für Rotweinfreunde sehr geeignet sind, die sonst weiße Weine nicht so mögen. Sollten sie mal probieren.
Bei dem Wein hier ganz klar: der ist üppig im Mund, schmeckt nach gerösteten Mandeln, hat durchaus was Bitteres, nach getrockneten Kräuter, aber auch ein süßer Duft nach Blüten, weich und warm.
Gut gekühlt oder Zimmertemperatur?
Miomente: Als Wein aus weißen Trauben, der aber wie Rotwein gekeltert wurde – was ist denn nun die richtige Trinktemperatur für Orange Wine? Gut gekühlt oder eher Zimmertemperatur?
Wolfgang Baumeister: Orange Wine ist durchaus eher so wie Rotwein zu trinken. Also nicht zu kalt. Auf keinen Fall Kühlschranktemperatur. Am besten bei 14-15 Grad. Wichtig ist bei dieser Art Wein, dass sie ein bisschen atmen können. Die brauchen etwas Entwicklung im Glas. Am besten in einer Karaffe oder in einem größeren Glas. Wie man jetzt hier merkt: nach ein paar Minuten öffnet sich der Wein schon wunderbar.
Miomente: Also er entfaltet sich erst nach einer gewissen Zeit?
Wolfgang Baumeister: Genau. Das Schöne ist jetzt hier: auch nach Tagen kann man den Wein, auch wenn er schon offen ist, noch ganz wunderbar genießen.
Miomente: Praktisch!
Wolfgang Baumeister: Ja, gerade für Leute, die jetzt nicht gleich eine ganze Flasche trinken wollen…die können durchaus jeden Abend nur ein Gläschen genießen und werden feststellen, dass auch am dritten und vierten Tag die Weine nicht nur immer noch groß sind, sondern dass sie auch durchaus noch etwas intensiver und interessanter geworden sind.
Ist Orange Wine ein Marketing Gag und Modetrend?
Miomente: Wir haben erst vor kurzem von Orange Wine gehört – Ist das ein neue Erfindung?
Wolfgang Baumeister: Nein. Schon seit tausenden von Jahren gibt es diese Art der Weinherstellung. Es ist eigentlich die ursprünglichste Art der Weinherstellung. Der Ausbau von Weinen in Amphoren kam aus dem Kaukasus, Georgien – da hat man von jeher keinen großen Unterschied zwischen roten und weißen Trauben gemacht und hat die alle nach dem gleichen Verfahren behandelt. Das heißt, man hat die Trauben gepackt und mit allem drum und dran zusammen in die Amphore gegeben und darin vergoren. Es gibt auch in Europa überall kleine Gegenden, wo das immer gemacht worden ist. Gerade im Collio im Friaul oder in Slowenien hat das immer Tradition gehabt, manche weiße Trauben ein wenig zu maischen, um eine andere Struktur in die Weine zu bringen.
Miomente: Viele Sommeliers kritisieren Orange Wine als reinen Marketing Gag und Mode-Erscheinung und sagen, dass die Weine fürchterlich schmecken – nach Verwesung oder alter Suppe. Wie siehst du das?
Wolfgang Baumeister: Das kann ich so natürlich nicht teilen. Weil die Hersteller das nicht aus Marketinggründen machen, sondern weil sie sich intensiv mit der Natur der Dinge auseinandergesetzt haben. Natürlich mag das für die Sommeliers etwas schwierig sein, weil sie da vor einer Sache stehen, von der sie noch nicht so richtig viel wissen. Und das ist wie bei allen Fachleuten, wenn da mal was kommt, von dem sie noch nichts wissen, dann ist die Reaktion erstmal: Oh Gott!
Warum ist Orange Wine so teuer?
Miomente: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Orange Wine und Naturwein. Bzw. was ist überhaupt Naturwein?
Wolfgang Baummeister: Das ist so ein Kampfbegriff für Weine, die möglichst ohne Eingriffe entstehen. Das Hauptding ist die Zugabe von Sulfit – darauf wird möglichst verzichtet bei Naturwein. Sulfit wird in der Regel für die Konservierung verwendet oder um bestimmte Weinmomente festzuhalten. Es gibt auch Orange Wine, der nach diesen Prinzipien hergestellt wird – dieser hier z.B. hat keine additiven Sulfite – aber ich würde niemals sagen, dass das hier ein Naturwein ist. Ich sag einfach: das ist guter Wein. Es ist möglich, ohne additive und manipulative Eingriffe des Menschen Trauben – das Naturprodukt – in einer möglichst reinen und unmanipulierten Form ins Glas zu bringen. Und die Weine schmecken trotzdem sehr gut – und sind nicht freaky.
Miomente: Warum ist Orange Wine so teuer?
Wolfgang Baumeister: Das ist wie bei allen toll gemachten Weinen – das liegt an der Arbeit, die dahintersteckt. Das beginnt bei der Arbeit im Weinberg. Da steckt die größte Arbeit drin. Und wenn man jetzt auf alle neueren technischen Hilfsmittel verzichtet, teils wegen des Terroirs, also der Landschaftsgestaltung, teils weil man es nicht möchte, dann bedeutet das viel mehr Handarbeit, viel mehr Pflegeaufwand. Das zahlt sich aber in gesünderem Traubenmaterial aus – aber auch deutlich weniger Traubenmaterial. Das heißt, die Erträge sind viel geringer – da reden wir von so 4000 Liter pro Hektar – dadurch ergibt sich natürlich auch ein höherer Preis. Theoretisch wäre es möglich, dass man orange Weine auch industriell herstellt – dann wären die natürlich deutlich billiger.
Miomente: Dann danken wir dir sehr für dieses erhellende Interview!